3D Drucken, ein gigantischer Medienhype mit wenig Substanz?

  • Die Additive Fertigung in Metall hat auch ihren Preis, davon wurde noch nie detailliert gesprochen. Mir war das bis vor kurzem auch nicht so richtig bewusst, was das im einzelnen bedeutet. Mittlerweile ist mir klar geworden, der Konsumerbereich von 3D Drucken und die professionelle Additive Fertigung spielen in zwei gänzlich unterschiedlichen Ligen. Das so in ziemlich allen Bereichen. Als interessanter und ernüchternder Fakt hat sich das IWF einmal die Mühe gemacht ein Billiggerät nur auf die Positioniergenauigkeit der einzelnen Achsen zu untersuchen. Die Ungenauigkeiten lagen durchschnittlich bei bis zu 0.8mm, teils gar höher. Für den eigentlichen Bauprozess kommen noch weitere Fehler dazu.


    Die Metallpulver für SLM (Selektives Laser Schmelzen) kosten massiv mehr als Werkstoffe die in Stangen oder Platten gekauft werden, Faktor 15 bis 20 ist normal. Als Beispiel, der Werkstoff CL20 ES (1.4404), ein rostfreier Stahl, kostet pro Kilo Fr.150. Das ist an sich noch keine Katastrophe, nur lässt sich mit einem Kilo so gut wie gar nichts vernünftiges anfangen. Eine Maschine mit einem kubischen Bauraum von 250mm Kantenlänge braucht als Füllung der Baukammer locker Material für ca. Fr.18'000. Das sind Ivestitionen die als Maschinenbetreiber geleistet werden müssen, sonst lässt sich damit kaum arbeiten. Für Titan sieht es noch viel schlimmer aus, der Kilopreis bei ca. Fr.800.00.


    Es gibt spezielle Maschinen für die Schmuckindustrie mit kleinen Bauräumen von 90x90mm. Eine Füllung mit Gold übersteigt den Preis der Maschine bei weitem.


    Auch wenn die Preise in Zukunft sicher sinken werden, sie werden nie den Konsumerbereich erobern. Zudem sind hochreaktive Werkstoffe wie Aluminium und Titan im Wort wörtlichen Sinn brandgefährlich, Aluminium kann sogar im Zusammenhang mit Wasser, Wasserstoffgas bilden und ist entsprechend anspruchsvoll im Umgang.


    Die Additive Fertigungs Technologie wird auf alle Fälle weiter getrieben und entwickelt. Sie braucht aber ihr Zeit und hat nicht den Anspruch die herkömmlichen subtraktiven Fertigungsverfahren zu verdrängen. Sie wird ihren Platz in der Fertigung erhalten aber nie in dem Mass wie es die Tagespresse einem weiss machen will. Das ist die Aussage der Leute an vorderster Front von Industrie 4.0.


    Ich bin doch sehr gespannt wo wir in 10 Jahren stehen werden. Welche Probleme bis dahin gelöst sind und welche den Forschern immer noch Arbeit geben werden. SLM Technologie braucht noch einiges um den Stand der zerspanenden Technologie zu erreichen. Übrigens zählt der additive Fertigungsprozess zu den urformenden Prozessen, allein aus dem Grund, da der Werkstoff erst bei der Fertigung entsteht. Ein klassischer urformender Prozess ist das Giessen.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Ein Beispiel aus der Luftfahrtindustrie, dort ist eine Gewichtsreduktion von Bauteilen immer ein Thema, ein Bauteil für den A400. Sehr gut erkennbar, ohne spanende Nachbearbeitung sind solche Teile nicht direkt verwendbar.

    Gruss Erwin



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  • Ein kurzer Bericht zu dieser Messe aus meiner Sicht. Die Tagesschau berichtete ebenfalls von dieser Messe , was aus ihrer Sicht wichtig war.


    Sehr empfehlenswert war der AM Einsteigertreff. Einerseits wurden bereits eingangs gewisse Träume von 3D Technik Freaks ohne Grundlagen gnadenlos zerstört. Anderseits klar vermittelt, die Technik hat Zukunft, löst aber ganz sicher keine weitere technische Revolution aus. Komplexe additive Fertigungsanlagen, z.B. solche die Teile aus Metall erzeugen, sind keine Plug and Play Anlagen. Den sinnvollen Umgang damit erkauft man sich mit viel Fleiss, Schweiss, Zeit und nota bene Geld. So muss immer sehr gut überlegt werden, schaffe ich mir eine solche Anlage an und bin bereit das Lehrgeld dafür zu zahlen oder greife ich doch lieber auf einen darin bereits erfahrenen Fertigungsbetrieb zurück.


    Für die nächsten 10 Jahre wird für die gesamte additive Fertigung weltweit ein Marktanteil von 2 bis 5 Prozent prognostiziert. Im speziellen wurde darauf hingewiesen, die additive Fertigung hat aus rein ökonomischen Gründen kein Potential die herkömmliche Massenfertigung zu verdrängen. Sie ist schlicht zu teuer. Für Kunststoff und Metall wurden zwei Kenngrössen präsentiert, die Ingenieuren im Frühstadion einer Entwicklung ermöglichen grob abzuschätzen, ob eine additive Fertigung wirtschaftlich sinnvoll sein kann.


    Als Beispiel wurde eine Treibstoff Einspritzdüse von GE für ein Jet-Triebwerk gezeigt das mit additiver Fertigung hergestellt wird. Der Vorteil, 20 Teile in einem verbaut, 33% Gewichtsersparnis, eine 5-fache Lebensdauer und damit geringere Wartungskosten.


    Ein äusserst beeindruckendes Teil aus Aluminium zeigte die Firma Femec aus Wetzikon. Ein Öltank mit 0.7mm Wandstärke für ein Formel 1 Fahrzeug. Das Teil war so leicht, ich konnte nicht mehr abschätzen, ist das Kunststoff oder Metall. In einer so kleinen Serie ist so etwas nur mit additiver Fertigung für einen bezahlbaren Preis realisierbar.


    Mit der Firma Materialise GmbH präsentierte sich ein sehr grosse Firma aus der additiven Fertigung dem Messepublikum. Sie betreiben aktuell 141 Maschinen mit 7 verschiedenen Fertigungssystemen. Die Firma beschäftigt 1400 Angestellte. Bisher war sie mir nur von der Software die für unsere SLM genutzt wird bekannt.


    Maschinen die Kunststoffteile erzeugen waren ganz klar dominierend. Anlagen für Metall kosten auch heute noch typischerweise sechstellige Summen, grosse Anlagen erreichen locker siebenstellige Beträge. Neben Anbietern von Anlagen und Produzenten, präsentierten sich eine ansehnliche Zahl an Hochschulen die sich dieser Thematik verschrieben haben.


    Für mich war die Messe ein voller Erfolg, vor Ort konnten einige anstehende Fragen und Probleme gelöst und Kontakte intensiviert werden.

    Gruss Erwin



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  • Bei der Suche nach einem Vortrag von Matthias Baldinger, bin ich über diesen Artikel , der erfreulicherweise Hand und Fuss hat, gestolpert. Der Artikel ist etwas mehr als zwei Jahre alt und die Aussagen der interviewten Fachleute gelten heute noch genau so. Dieses Firmen sind immer noch am Markt und haben in den zwei Jahren kein riesiges Wachstum hinter sich gebracht. Die additive Fertigung wächst langsam und stetig und schiesst nicht ins Kraut.

    Gruss Erwin



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  • Gestern wurde auf arte ein sehr guter und kompetenter Beitrag zum Thema additive Fertigung gezeigt . Der Titel lautete "Zukunft aus dem Drucker" .


    Neben viel Euphorie wird auch auf die vielen Schwierigkeiten die diese Technik mit sich bringt verwiesen. Ein ganz grosses Thema ist der Verzug von Bauteilen. Damit ist jeder Hersteller konfrontiert und muss die entsprechenden Erfahrungen sammeln und verarbeiten. Der Verzug ist die logische Folge von Wärmeeintrag und schneller Abkühlung in den Bauteilen. In ungünstigen Fällen ist das Teil nach dem Baujob komplett unbrauchbar, teilweise durch Risse und Brüche komplett zerstört. In der Fertigung ist Verzug bei den meisten Verfahren ein ungelieber Begleiter der mit den Jahren durch Erfahrung beherrscht werden kann.


    Warum entwickelt sich sich die additive Fertigung so schnell im Flugzeugbau? Genau dort spielt sie ihre wirklich entscheidenden Vorteile aus. Leichte Bauweise hochkomplexer Formen in schwer bearbeitbaren Werkstoffen. Gespartes Gewicht ist in der Luftfahrt bares Geld wert und direkt in die Treibstoffersparnis umgemünzt werden. Im Maschinenbau bringt ein leichterer Ventilblock gegenüber einem herkömmlich zerspanend hergestellten gar nichts, im Gegenteil, er ist schlicht viel zu teuer.


    Additive Fertigung kann für den Modellbau genutzt werden, wurde aber nie für diesen konzipiert. Im Gegenteil, das Aussehen des Teils ist im Modellbau gegeben und ist kaum für additive Fertigungstechnologien im geforderten Mass anpassbar. Genau aus diesem Grund kommen dermassen viele Fertigungstechniken, wie Giessen, Laserschneiden, Biegen, Formen, Zerspanen, additive Fertigen usw. in einem Produkt vor. Die Devise ist klar und einfach, das richtige Verfahren am richtigen Teil angewandt, ergibt das beste Ergebnis.


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    Die Filmbeiträge sind bewusst über verschiedene Kanäle verlinkt, in der Hoffnung, einer überlebt möglichst lange.


    Die Firma Dachslenberg hat auf ihrer Homepage drei kompetente Artikel zum Thema additive Fertigung verlinkt . Sie erschienen ursprünglich im EA. Dort wird ebenfalls sachlich auf Vor-und Nachteile der Technologie eingegangen.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


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