von wegen Autos,
da hat jemand in dieser Rubrik vor ca. einem Jahr geschrieben ich zitiere einzelne Wörter heraus: ... unvernünftig, teuer im Unterhalt, zeitaufwändig, etwas was Man(n) nicht notwendigerweise zum Leben braucht, man könnte noch fast beliebig weitere Vernunftsargumente hinzufügen, es nützt alles nichts...
... auch ich konnte mal nicht wiederstehen: Mein Auto war derart günstig (in England gekauft), dass mir der Zoll vorerst der Kaufpreis gar nicht glauben wollte. Dieser Oldtimer sei mindestens 400% teurer als meine Preisangabe! Ich erwiederte ihm, ich hätte halt damit Glück gehabt... (hätte er mich 1-2 Jahre später gefragt, hätte ich geantwortet, so kaufen Sie es doch selber, wenn sie es für den Preis wollen!)
... zumindest war es nicht (ganz) der Worst-Case! Das Auto war weder gestohlen und auch kein Fake, alle wesentlichen Teile waren theoretisch original. Der Grund des günstigen Verkaufpreises war einfach der, dass der allgemeine mechanische Zustand jenseits von gut und bös war. Optisch war der Zustand oberflächlich gar nicht sooo schlecht. Was soll das heissen:
Gruppe A: Auto-Profis ist dieser Sacherverhalt klar und kaufen daher mangels Rendite dieses Auto nicht. Gruppe B: Anfänger kaufen dieses Auto auch nicht! Sei es weil sie es sich nicht zutrauen, oder aber vorausschauend kaufen. D.h. bei einem grossen Auto ist nicht nur das Auto als solches teurer, sondern auch der Unterhalt, die Versicherung, der Benzinverbrauch, vorallem aber die Ersazteile, einfach alles. Gruppe C: die Lehrgeldbezahler, Träumer und Leute mit nicht übertrieben grossen Realitätsinn. Dann gibt es noch die Gruppe D: Extrem wohlhabende Leute, aber die kommen hier auch nicht in Frage. Die schauen nicht auf den Preis, die würden auch nicht dem Auto nachreisen, sondern es kommen lassen, es beim möglichen Kauf vorführen lassen, und danach wohl den Verkäufer vermutlich zum Teufel jagen.
Ich zähle mich zur Gruppe C, = "Träumer": Jedoch mit ein wenig Hartnäckigkeit, Gedult und dem Aushalten ständig wechselnde Gemütslage von Freude und Enttäuschungen, es ist machbar. Vorallem sollte man mit seinem Garagisten gut verhandeln: So dass das Projekt irgend wann einmal Aussicht auf Erfolg hat und bezahlbar bleibt. Dabei den Bogen nicht überspannen, sonst wirft der Garagist das Handtuch bez. Schraubenschlüssel weg, oder nach einem... Ohne ein gut funktionierendes Netzwerk ist man bei einem 84 jährigen Auto aufgeschmissen.
Die Hauptsächlichen Defekte waren: Der Zylinderkopf hatte Gusspest, entsprechend war die Kompression nahe bei 0. (nicht nur Zinklegierung, auch eine Alu-Legierung zerfällt genau so, wenn die Zusammensetzung der Legierung nicht stimmt). Prozentual gesehen besteht dieses Auto ohnehin nicht aus Metall, sondern aus Holz! Und das war völlig wurmstichig. Das Holz ist "unsichtbar": Trotzdem, dass dieser Phantom II Leergewicht 2650 Kilo wiegt, entspricht er einer Art Leichtbauweise! 2 sehr massive T-Stahlträger bilden das Fundament. + der Motor, das Getriebe und das Differential haben den Hauptanteil am Gewicht, der Rest ist leicht ausgeführt. Der Motorbereich ist aus Alu, der eigentliche Autoaufbau aus Holz, aussen mit hauchdünnen Aluplatten versehen, innen mit wahlweise Stoff oder Leder verkleidet. (Das Leder vorne ist Original, der zerfressene Stoff im Fond wurde bei der Restauration durch Leder ersetzt) Das Auto stand in einem Museum, wobei man sich unter Museum nichts falsches vorstellen darf. Museum ist kein geschützter Name! Nicht allen Autos geht es so gut wie dem Verkehrshaus in Luzern, oder dem Auto Museum in Müllhausen. Schnell einmal ist "Museum" einen einfachsten Abstellort, wo keine Pflege, keinen Aufwand, keine Fahrt mehr statt findet. Worauf mit der Zeit sämtliche Mechanik Schaden nimmt.
Dass wurmstichiges Holz ein ernsthaftes Problem darstellt, wurde mir relativ spät, aber dann markannt bewusst: Der Garagist machte mich schon lange darauf aufmerksam, ich wollte es ignorieren, das sei doch alles nicht so schlimm. Als endlich der neue Zylinderkopf montiert war, machte ich - ganz stolz - mit meiner damaligen Freundin eine Ausfahrt! Von diesem Phantom II war erst der Motor restauriert, alles andere noch nicht! Entsprechend quitsche, stöhnte, knaxte und zischte es ständig mehr oder weniger fest, das war nichts besonderes. Plötzlich sahe ich eine ganz bleiche, wild fuchtelnde Frau im Fond, was war passiert: Der Boden unter ihren Füssen war wortwörtlich weggebrochen,also nicht mehr vorhanden, einfach weg! Sozusagen ein umgekehrtes Cabrio mit freier Sicht auf die Antriebswelle und Strasse = lebensgefährliche Situation. Da war ich kurz daran, endgültig aufzugeben. Zufall oder nicht: wenn der Garagist die Schnauze voll hatte, so wollte ich weiter machen, wenn ich verzweifelte, so war er wiederum optimistisch.
Auf diese Weise ist innerhalb von einigen Jahren, langsam aber sicher aus einem Wrack wieder ein echter Phantom II Rolls-Royce geworden. Ersteinlösung = Bj. 1932. Das Getriebe stammt von 1929, Motor und Aufbau von 1931. Wenn der Motor mal läuft, ist er - für sein Alter - sehr zuverlässig. Man ist immer beschäftigt beim Fahren, es geht nichts automatisch, der Fettgehalt vom Benzin, der Zündzeitpunkt, das Handgas etc. alles muss von Hand und Tourenzahl/Geschwindigkeitsabhängig eingestellt werden. Die Bremse ist erstaunlich gut. Das schwierigste ist schon den Motor zu starten. Es sind zwar "nur" 6 und nicht 8 oder gar 12 Zylinder, aber diese 6 Zylinder sind fast Putzkübel gross! Der Anlasser wird maximal belastet, um die 7,668 Liter in Gang zu setzen. Wenn es nicht geht, so steht es schwarz auf weiss in der Anleitung, dann nehmen Sie bitte die Kurbel und sie werden den Motor von Hand starten! Kein Witz... Man müsste schon ein Zauberer oder Kranz-Schwinger sein, um diesen (fast) 8-Liter Motor per Handkurbel starten zu können.
Erfreulicherweise sind Pannen selten geworden. Mehrheitlich läuft er sehr schön. Eigentlich wie älter dieses Auto wird, um so besser funktioniert es. PS mässig kann man damit nicht angeben: Aus knapp 8 Liter Volumen mit immerhin 6 Zylinder 112 PS ereichen, das ist für heutige Verhältnisse kein Verkaufsargument. Dennoch läuft er ganz exkat die ursprüngliche Geschwindigkeit gemäss Anleitung, von 140 km/h. (144 km/h). Für eine über 80 jährige Langhuber-Diva nicht über längere Strecken zu empfehlen, auch in Deutschland nicht zu empfehlen, wo es noch erlaubt wäre. Ich möchte nicht mit dem eigenen Traktor aus dem Strassengraben gefischt werden müssen, tot von Holz aufgespiesst sein, und/oder andere Verkehrsteilnehmer gefährden. Aber zu Wissen das die Diva nichts von ihrer Kraft verloren hat, beruhigt einem schon. Stadtverkehr bei Rushour (ständiges Stop an Go) = für Auto und Fahrer eher mühsam. Jedoch gleichmässig zwischen 60 - 90 km/h, da fährt er stundenlang ohne jede Ermüdung oder Pannen. Wenn man es langsam angeht, so sind auch die hohen Schweizer Alpenpässe kein wirklich ernsthaftes Hindernis.
Doch jetzt, wo mein Phantom II einigermassen fertig ist, kommen so gar noch die Kühe daher und schauen neugierig was das ist. Zeitweise wollte ich ihn bei der Restauration am liebsten in der Hölle versenken, aber der Teufel wollte ihn nicht mal geschenkt. Heute gebe ich ihn nicht mehr her und schätze das Fahrzeug sehr. Da wenig Rolls-Royce Phantom II verschrottet wurden, sind sie eigentlich trotz ihren gut 80 Jahren gar nicht so selten, aber kaum je zugelassen. Vom Verkehrsamt zugelassene fahrtaugliche Phantom II kann man an einer Hand abzählen.
Grüsse
Hermann