• Geschätzte Forumisten,
    einige von euch können sich vielleicht erinnern: An der Modellbahnbörse in Oftringen drückte mir Andi Germanier ein Modellauto in die Finger und bat mich, dieses umzulackieren, so dass es seinen Cadillac, Serie, 62 Coupe DeVille von 1958 darstellen würde. Ich sah mir das überreichte Modell an und stellte fest, dass es sich um einen '58 Cad Eldorado handelte. Ausser den zwei Türen und der Front hatte das Teil herzlich wenig mit Andis Auto gemeinsam.



    Das Heck des 'Eldorados' - dem damaligen 'Highend-Sportwagen' von Cadillac - unterscheidet sich komplett von jenem der Serie 62. Kam dazu, dass das Modell billig gemacht war und auch als Eldorado nicht stimmig dargestellt wurde. Es handelte sich eher um eine Karikatur desselben. Aber das seht ihr ja auf den obigen Bildern selbst.
    Für jene, die nicht wissen wie Andys Auto von hinten aussieht, hier der Vergleich mit dem Original:



    Andi auf die eklatanten Unterschiede angesprochen meinte er achselzuckend, dass es sein Auto eben nicht als Modell gäbe - aber dies stimme für ihn schon. Als ich das Billigmodell in Empfang nahm schoss mir durch den Kopf, dass ich meine Zeit und Arbeit nicht mit diesem Modell vergeuden würde, da das Ergebnis mich nicht befriedigen würde und ich mich Andi verpflichtet fühlte, einwandfreie Arbeit abzuliefern.
    Als Erstes durchforstete ich die Weiten des Internets. Schliesslich musste ich Andi beipflichten: Modelle des '58er Cadillac der Modellreihe 62 existierten nicht. Hingegen war der Eldorado sogar in verschiedenen Masstäben erhältlich, obschon die grosse Mehrheit der verkauften Cadillac 'Sixtytwo's waren. Vom legendären Nachfolgejahrgang, dem 59er, waren dann wieder verschiedenste Varianten als Modell erhältlich. Ich fand sogar einen Leichenwagen.
    Da ich in Sachen Amerikanerwagen ja nicht unvorbelastet war, wusste ich, dass die amerikanische Firma Jo-Han in den 50er und 60er Jahren von allen US-Automodellen sogenannte Promotioncars im Massstab 1:25 herstellte. Dies waren einfach gehaltene, jedoch stimmig umgesetzte Werbemodelle, die den interessierten Kunden abgegeben wurden. Natürlich sind damals nicht alle einzelnen Modelle nachgebildet worden. Aber es würde mich wundern, wenn Jo-Han damals ausgerechnet den teuren und exotischen Eldorado ausgesucht hätte. Und tatsächlich: Beim Modell von 1958 wählte man das viertürige 'Schlachtschiff', den Fleetwood 'Sixty Special'. Nun, dieses Modell glich Andis Zweitürer auf den ersten Blick noch weniger als der Eldorado. Zumal jedes Modell, also auch der Sixty Spezial, seine spezifischen Zier- und Chromteile aufwies. Aber immerhin, das Heck glich der Serie 62 grundsätzlich. Ich spürte, dass ich hier auf dem richtigen Weg war.


    So suchte ich zunächst mal nach einem gut erhaltenen Jo-Han-Modell in den USA. Viele der angebotenen Autos waren verzogen oder der Chrom abgeschossen oder die Räder waren zerfallen und taugten nur noch für den Schrott. Aber nach einigen Tagen fand ich dann eine Perle: Chrom, Räder, Carosserie: alles top. Natürlich war das Ding nicht ganz billig: Kaufpreis und Versand kamen auf einen dreistelligen Frankenbetrag. Endlich konnte ich mich bei Andi für alle seine Gefälligkeiten bedanken.


    Einige Tage später, am 23. Februar, kam dieser Wagen mit der Post:



    Wenn ihr den Sixty Special mit Andis Coupe vergleicht, dann wird euch vielleicht bewusst, dass noch viel Arbeit vor mir lag. Einige Unterschiede sind nämlich gar nicht auf den ersten Blick sichtbar. Aber davon im nächsten Beitrag.

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Schönes Modellauto! Gratulation. Mir gefallen alle 3 Formen... Ist das der, mit dem Du (Roger) am 28 Mai daher kommst? :thumbsup: da bin ich ja mal gespannt. Zum Glück habe ich keinen Platz mehr und keine Resourcen für weitere Spinnereien mehr. Um so mehr freue ich mich auf das Anschauen, ohne es besitzen zu "müssen". Aber dass man so etwas gerne begehrt, ist klar!

    Analog ist cool:)

  • Nein Hermann, kch komme selbstverständlich mit meinem eigenen Wagen. Ebenfalls ein 58er von GM. Aber es handelt sich um einen Oldsmobile 98.
    Ein guter Freund von mir besass einige Jahre lang einen Sixty Special wie oben abgebildet. Da hätte ich am Modell nicht viel ändern müssen. Aber da es den Wagen nur viertürig gibt, veräusserte er ihn wieder.

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Hallo Roger,


    Da bin ich ja aber mal gespannt :P Da bitte ich Roger um eine Umlackierung und er macht eine Mega Sache daraus. Gut, das hätte ich ja ahnen können wenn man schaut was er schon alles gemacht hat mit einem enormen Aufwand. Ich fühle mich natürlich geehrt, dass ich dann dieses Modell mal meines nennen kann :thumbup:
    Schon jetzt, DANKE Roger.
    Gruss Andi

  • Also, weiter geht's:
    Als Erstes demontierte ich das Jo-Han-Modell sorgfältig in seine wenigen Einzelteile...



    ... und versorgte die noch nicht benötigten in eine Schachtel (da war früher ein Weinchen enthalten, der hier nicht unbekannt ist. Jedenfalls höre ich unsere drei Forumisten immer noch in ihrer Besenkammer gröhlen, nach Genuss eines gleichartigen Musikinstruments)



    Dann bat ich Andi - Du erinnerst Dich Andi - um einige Fotos seines Wagens. Diese stellte er mir umgehend zu. Nach Ausdruck der Fotos begann ich mit den Arbeiten am Modell:


    So nahm ich mir zuerst die rechte Wagenseite vor und spachtelte zunächst die falschen und überzähligen Türfalze zu: Wie man weiss ist die Tür bei einem Coupé immer länger als bei einem viertürigen Wagen. Es reichte also nicht, einfach die hintere Tür zuzuspachteln. Logischerweise musste ich auch die angegossenen Türfallen wegschleifen. Mit Bleistift zeichnete ich die neu zu ritzende Türfuge ein. Aber das kommt erst später.
    Mit einem Messer schnnitt ich das Sixty-Special-eigene kleine Seitenfenster aus. Wie der geneigte Betrachter vergleichen kann, weist Andis Coupé eine vollkommen unterschiedliche C-Säule auf (da würde ich später noch darüber staunen WIE unterschiedlich ;) )
    Und als dritte Massnahme schliff ich den seitlich aussen, an der Heckflosse aufgegossenen Schriftzug 'Sixty-Special' weg. Denn beim Coupe sollte dort 'CADILLAC' stehen. Nebenbei konnte ich einen an dieser Stelle typischen Gussfehler ausmerzen. Ein weiterer Schriftzug am Heckdeckel musste ebenfalls dran glauben. 'FLEETWOOD' stand nämlich beim Schlachtschiff, während bei Andis Carrozze das Cadillac-V-Emblem richtig wäre. Also: weg damit.
    Wirklich grossen Aufwand ergab aber das Riffelblech am hinteren Kotflügel, das nur beim 'Sixty Special' montiert war. Ebenso die wuchtige Chromeinfassung des Riffelblechs. Beim Wegfeilen musste ich nämlich höllisch aufpassen, dass ich den pfeilförmigen Carosserie-Wulst nicht beschädigte, der vom Hecklicht nach vorne gezogen wird. Nach Feilen und Spachteln präsentierte sich der Cad so:



    Nach Trocknung des Spachtels, was immer einen Tag dauert, schliff ich die Oberfläche ab und grundierte die bearbeitete Stelle mit weissem Spray. Und wer nun meint, damit sei genug, dem sei gesagt: nach dem Grundieren sieht man jede Fuge und auch das vermeindlich abgeschliffene Muster des Riffelblechs wieder so deutlich, wie wenn es nicht bearbeitet worden wäre. Also: weiter feilen, erneut spachteln - und wieder übernebeln..... und wieder feilen, erneut spachteln - und wieder grundieren.... mehrere Male, bis endlich alle hässlichen Fugen und störenden Auswüchse einigermassen verschwunden sind.


    Ach ja, noch was: Vergleicht mal den hinteren Radausschnitt der beiden Versionen! - die sind kompett verschieden. Während beim Schlachtschiff der Ausschnitt durch einen Fender-Skirt - das ist eine zusätzliche Blende - geschlossen waagrecht weiterverläuft, ist der Ausschnit beim Coupé offen und verläuft in einem geschwungenen Bogen. Ein erster Fall für die Säge. Eine passende Leiste in den Radlauf geklebt imitiert die leichte Ausstülpung am Blechrand. Auch diese Arbeit gestaltete sich aufwendiger, als hier beschrieben. Vor allem die richtige Form des Radausschnitts erforderte genaues Studium von Vorbildfotos. Aber die hatte ich dank Andi und Internet zur Hand.


    Die wahren Herausforderungen kamen aber erst im nächsten Schritt.


    Doch davon ein andermal.... :rolleyes:

    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Ich habe schon jetzt ein schlechtes Gewissen :love: das ich mich mit dieser Arbeit an dich gewendet habe und du nun so viel Arbeit hast wegen mir, obwohl du ja selber eine eigene Baustelle hast mit deinem Moba Keller.


    Ich freue mich auf den nächste schritt.


    Gruss Andi

  • Ich auch! Tolles Projekt, toller Bericht!


    Freut mich sehr, hier so detailliert darüber zu lesen - grosses Kompliment!

    Gruss Christian


    Meine Fotos; Eisenbahnen (Schwerpunkt Gotthard) und Dampfschiffe: https://www.flickr.com/photos/134896793@N03/ - aktuelles Avatarbild zur Erinnerung an den im Schnee versunkenen Gotthard am 17. April 1999.

  • Jedenfalls höre ich unsere drei Forumisten immer noch in ihrer Besenkammer gröhlen, nach Genuss eines gleichartigen Musikinstruments)

    Werther Roger,


    denke daran, Du sprichst über drei höchst honorige Mitbürger, die selbst nach dem Genuss mehrerer Flaschen Bassgeige Etikette pflegen und sich sowohl in als auch ausserhalb der Besenkammer vorbildlich und leise zu benehemen wissen - also nix Gröhlerei und so . . . - ich bitte um Kenntnisnahme! ;) :thumbdown:

    Gruss Günther

  • Hm... offenbar schreibt man 'grölen' ohne 'h'. Dacht' ich's mir noch..... ;)

    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Jetzt folgt ein interessantes Bild:



    Es zeigt einerseits die Seitenansicht mit dem breits geänderten Radlauf. Anderseits habe ich hier eine Papiermaske mit der richtigen Seitenscheibeneinteilung des Coupés hinterlegt. Interessant ist dabei die hintere Seitenscheibe: Zwei Sachen fallen auf. Einerseits scheint der 'Hüftschwung' zu weit vorne zu liegen, was einen Buckel in den Schwung des unteren Scheibenrandes ergibt und zweitens würde die C-Säule viel zu breit und nicht parallel zur Heckscheibe verlaufen.


    Vergleiche mit dem Original-Coupé legen Nahe, dass diese Details tatsächlich verschieden sind. Jedenfalls ist anhand des nächsten Bildes festzustellen, dass der Winkel B-Säule zur waagrechten Linie auf dem Foto im Vergleich zum Modell tatsächlich spitzer ist. So setzte ich ein Polysterolplättchen ein und zeichnete darauf den korrekten Verlauf der B-Säule ein. Zudem versetzte ich den Hüftschwung nach hinten. (ist auf dem Foto breits geschehen).



    Wie ich ich dazu an der Karrosserie herumsägen musste zeigen folgende Fotos:



    Dazu benötigte ich die Säge, Mut und Spachtelmasse. Der Rest war schleifen, schleifen, schleifen... :rolleyes:

    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Lieber Roger,


    bist Du heute ein wenig verwirrt?? Nix Bilder . . . ;) ;)

    Gruss Günther

  • Sehr interessant was du da bewerlstelligst lieber Roger.

    Gruess Andy
    Sieger stehen da auf, wo Verlierer liegen bleiben.

  • Lieber Roger,


    bist Du heute ein wenig verwirrt?? Nix Bilder . . . ;) ;)

    Die Bilder, geschätzter Günther, stelle ich am Schluss von meinem i-Pad ein, weil die Fotos dort gespeichert sind. Den Text schreibe ich vorgängig auf der Laptop-Tastatur, weil das bequemer ist. Deshalb folgen die Fotos jeweils nachträglich. Sei fortan also nicht so ungeduldig in diesem Thread... ;)

    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Weiter im Text:
    Der Heckfensterausschnitt wurde also spitzer gefeilt und der Chromumlauf mit einem dünnen, zurechtgeschnittenen Polysterolstreifen angepasst. Die Seitenfensterunterkante wurde ebenfalls aus einem Streifen ergänzt. Dann wurde der neue Türfalz eingeritzt (was übrigens heikler zu bewerkstelligen war, als die falschen zuzuspachteln). Zu guter Letzt wurden noch die fünf horizontalen Zierstreifen auf dem hinteren Kotfügel nachgebildet, die dem Coupé eigen sind. Es fehlen noch neue Türfallen und der Cadillac-Schriftzug auf dieser Heckflosse, aber der Wagen sieht auf dieser Seite Andys 62er schon um einiges ähnlicher als auch schon.



    Die Gegenseite zeigt übrigens immer noch den ursprünglichen Sixty-Special.



    Von oben sieht man den Unterschied ziemlich deutlich: Der 'Hüftschwung' in verschiedener Position oder die Türanordnung. Was aus dieser Perspektive nicht gross auffällt ist die beim Coupé (also die rechte Seite des Wagens) weiter vorgezogene Heckscheibenecke.



    Ein weiteres Unterscheidungsdetail ist auf dem vorderen Kotflügel festzustellen: Der Vierplätzer (also linke Wagenseite) weist an oben verlaufenden Chromleiste eine Zierflosse auf. Das Coupé nicht. Dafür muss ich auf der Haube von Andis Modell am Schluss zwei nebeneinanderliegende Flossen als Kühlerfigur nachbilden.
    Ein Lufteinlass im Bereich der Chromliste auf dem Vorderkotflügel musste ich ebenfalls abfeilen. Den hat Andis Wagen nicht. Dabei muss ich auf der Hut sein, damit die Chromliste selbst keinen Schaden nimmt, weil der Einlass die Leiste beidseitig flankiert. Sieht man wegen des geringen Kontrasts auf dem Foto aber fast nicht.



    Immerhin sind dies die einzigen Unterschiede im vorderen Wagenteil.


    Und weils so schön ist, folgt nun noch eine Aufnahmen des einseitig gesuperten Rohbaus.... denken wir einfach nicht daran, dass die Gegenseite auch noch bearbeitet werden muss... :facepalm: (Für die Vitrine würde eine Seite ja reichen). ;)


    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Hm, Autos umzubauen scheint ähnlich schwierig zu sein wie mit Frauen umzugehen. Alles voller Freiformflächen und versteckten Fallen :phat:

    E Gruess


    Hänsu

    Ich halte Genauigkeit für poetisch


    (Robert Walser)

  • Genau, Hänsu! :D


    Jetzt lasse ich euch mal die Unterschiede im Heckbereich entdecken:


    Gruss Roger


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    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Wie ist es denn mit dem Radstand? hat das Coupe den gleichen wie die Limusine?

  • Tatsächlich - grossartige Arbeit . . . !!! Gratulation!!!!! :) :)

    Gruss Günther

  • Wie ist es denn mit dem Radstand? hat das Coupe den gleichen wie die Limousine?

    Das ist natürlich eine Frage, der ich vor dem Umbau nachgegangen bin. Schwierig macht es der Umstand, dass man von Cadillac grundsätzlich verschiedene Langversionen erhalten konnte. Meine Recherchen ergaben, dass sich der Radstand des 'Sixty-Special' und des 'Sixty Two' in diesem Jahr um rund 8cm unterschieden. Das ergibt umgerechnet etwa 3mm. Dies ist vernachlässigbar - ungeachtet, ob das ursprüngliche Jo-Han-Modell ganz korrekt umgesetzt wurde. Mich dünkt nämlich, dass beim Modell das Vorderrad nicht ganz genau am optisch richtigen Punkt sitzt.... Nachmessen tu' ich's nicht.... :D

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.