Rauch für den Kittel

  • Liebe Forumskollegen,
    heute möchte ich Euch den Hintergrund meiner gestrigen Frage zu Sinn und Zweck einer Schwungmasse darlegen:
    Immer wieder habe ich mich gefragt, warum der Spur-Null- Kittel von Kiss eigentlich keinen Rauchgenerator besitzt, wenigstens einen kleinen Seuthe, wie er in der 98er verbaut oder auch im Spur 1 - Pendant des Kittel zu finden ist. Immer dann, wenn ich mich an der gefälligen Qualmerei der 98er erfreute, ließ es mir hinterher keine Ruhe, nach einer Möglichkeit für den Einbau im Kittel zu suchen.


    Sondierung
    Doch rasch folgte die Ernüchterung: Mit einem Zahnstocher sondierte ich den Schornstein und stellte fest, dass es gerade mal 16mm ab Schlotspitze sind, bis der Zahnstocher auf die Schwungmasse des im Ofenkessel senkrecht stehenden Bühler-Motors trifft. Die aufgrund ihrer Maße einzigen in Frage kommenden Seuthe-Raucher sind die Nummern 10 (16-22 Volt) oder 100 (10 - 16 Volt). Beide haben eine zylindrische Form und weisen einen Außendurchmesser von 5mm auf, leider aber auch eine Länge von 24mm, an der das neue Projekt jäh zu scheitern drohte. Denn um zu erreichen, dass der Seuthe maximal 12 mm nach oben aus der Feuerkammertüre herausragt, müsste er weitere 12mm tief bis weit in den Bereich eintauchen, den die Schwungmasse für sich in Anspruch nimmt. Nur dann wäre noch ein Sicherheitsabstand von gut zwei Millimetern hin bis zum Motor gewährleistet.



    Gewissensentscheidung
    Um weiter zu kommen gab es also zunächst nur die angedachte Möglichkeit, die Schwungmasse zu entfernen und die Welle des Motors bis dicht an das Wellenlager zu kürzen. Mit dem Argument im Rücken, dass die Schwungmasse mit ihrem Durchmesser von 21 Millimetern keine allzu große Wirkung haben dürfte, freundete ich mich mit dem Gedanken an, auf sie zu verzichten. Schlussendlich habe ich die Schwungmasse samt Motor in einen Proxon-Schraubstock eingespannt, darauf geachtet, dass die mit Gummis armierten Backen ausschließlich dieses Werkstück fassen und dann mit kleinem Hammer und einem Dorn auf die Welle geschlagen, ganz vorsichtig und ohne Gewalt. Mögen auch unsere Herren Mechanici die Stirn runzeln, die Anschaffung eines Abziehers für diesen einmaligen Zweck hätte in keinem vernünftigen Verhältnis zum Nutzen gestanden, denn es war ein Kinderspiel: Fast wie von selbst hat sich die Schwungmasse von der Motorwelle lösen lassen, gottlob war sie nicht verklebt. So blieb mir dann wenigstens die Option, sie nach dem dann folgenden, womöglich negativ verlaufenden Fahrversuch wieder aufzupressen. Doch es kam anders:



    Erfolgserlebnis
    Der Motor wurde erstmal wieder eingebaut und alles verschraubt, ist ja mittlerweile schon zur Routine geworden, dann Herzklopfen - Fahrversuch: Perfekt! Es gibt überhaupt keinen Unterschied zum Fahren mit der Schwungmasse, das angenehm leise Laufgeräusch ist unverändert. Wie Erwin schon bemerkte machen digitale Massensimulation und elektronische Schwungmasse in Form des Powermoduls eine mechanische Schwungmasse weitgehend überflüssig. So war nun auch die letzte Hürde für den Einbau des Raucherzeugers genommen. Einzig der herausragende Stummel der Motorwelle musste noch der Trennscheibe zum Opfer fallen, womit die Sache dann auch unumkehrbar wurde.



    Schornsteintausch
    Im nächsten Arbeitsgang bohrte ich den „alten“ Schornstein aus, nicht ohne zuvor die kleine Vorrichtung mit dem Deckel für den Schlot sorgfältig demontiert zu haben. Die Öffnung des Rauchkanals wurde dann auf 5mm erweitert und noch etwas mit der Rundfeile bearbeitet. Den Seuthe habe ich erst mit schwarzem Schrumpfschlauch ummantelt und dann mit Pattex Stabilit eingeklebt. Begünstgt durch die Erwärmung bei Betrieb umschmiegt der Schrumpfschlauch den Seuthe eng und hat neben der Farbgebung den Sinn, keinesfalls eine elektrische Verbindung zwischen dem Metallzylinder und dem Gehäuse entstehen zu lassen, was nach Aushärtung des Klebers sicherheitshalber nochmal mit dem Durchgangspiepser kontrolliert wurde.



    Die Kabelführung verläuft wegen des Kessels unsichtbar entlang am Dach durch die Trennwand zum benachbarten Gepäckraum. Hier dient ein senkrecht an der Stirnwand angebrachtes Messingröhrchen als Kabelkanal, der die beiden Litzen nach unten führt. Ein Mini-Steckkontakt bildet dann die Verbindung zum Fach, in dem sich der Decoder befindet. Die hellbeige Farbe des Innenraumes, mit der das Röhrchen gestrichen wurde, mischte ich aus den drei Komponenten der Acrylfarben von Hobby line aus dem Müller Drogeriemarkt: „Hautfarbe“, gelb und ganz wenig braun.



    Elektrisches
    Entschieden habe ich mich für den Seuthe 100, das ist die Variante für 10 - 16 Volt. Der Decoder liefert nämlich eine Ausgangsspannung von 15,3 Volt, so dass bei dem Modell Nr.10 für 16 - 22 Volt nur eine spärliche Rauchentwicklung zu erwarten gewesen wäre. Vor dem Einbau hatte ich Versuche gemacht und mit dem Labornetzteil verschiedene Spannungen ausprobiert. Im Ergebnis kam ich auf eine für mich ideale Betriebsspannung von 12,6 Volt, bei der das Verhältnis zwischen Intensität des Rauches und Verbrauch des Destillates optimal ist. Um die 15,3 Volt des Decoders auf 12,6 Volt herunter zu regeln, verwendete ich den in der Bucht für 1,99 Euro erhältlichen einstellbaren Spannungsregler . Hier werden nur drei Anschlüsse benötigt, weil Minus- Ein- und Ausgang identisch sind.


    Um die Spannung vom Decoder abzugreifen gibt es zwei Möglichkeiten:
    Abgesehen von der Führerstandsbeleuchtung lassen sich ab Werk die Leuchtdioden beider Hälften des Fahrgastraumes getrennt schalten, wofür die beiden Ausgänge aux5 und aux6 „verbraucht“ werden. Auf diesen Komfort könnte man verzichten, beide Hälften auf einen Ausgang legen und den anderen für den Raucher nutzen. Es gibt aber noch die elegantere Variante, wie sie von Kiss bei der 98er praktiziert wird:
    Auf der Platine des Decoders sitzen drei Kontaktleisten, von denen im Kittel nur zwei mit Steckern versehen sind, die dritte ist unbenutzt. Hier greift Kiss bei ihrer BR 98 am Pin 2 (Heater +) und am Pin 5 (Heater GND) die Spannung für den Seuthe ab. Das Bild zeigt die Platine der 98er, Pin5 ist verdeckt, Pin 2 gut erkennbar.



    Voraussetzung ist, dass die gewünschte Funktionstaste mit dem Raucher gekoppelt, indem sie mittels Programmer auf „ESU Rauchgenerator“ eingestellt wird. Gleichzeitig müssen in jeden Container des Fahrablaufes (beliebige) Werte für Lüfter und Heizung eingetragen werden, wie z.B. auf dem Bild in Container A1 die Werte z. B. 250 und 230, die ich von der 98er übernommen habe. Auf diese Weise erhält man aus der dritten Kontaktleiste die Spannung für den Raucher mit dem Vorteil, dass er ausschließlich bei eingeschaltetem Fahrgeräusch aktiviert werden kann.



    Abgesehen vom Bastelspaß schlägt dieser kleine Umbau gerade mal ein Loch von knapp 20 Euro in das Hobbybudget :-)
    Abschließen möchte ich meinen Bericht mit einem kurzen Video:


    OB9VKfnNPAE

  • Diese Bastelei hat sich gelohnt, wie das Video am Schluss zeigt. :thumbsup:

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Sehr schön - na ja, wenn man so ein technisch bewandertes Händchen hat . . . :) :) :)

    Gruss Günther

  • Michael,


    Einen Stift, in diesem Fall die Motorwelle mit einem Durchschlag oder korrekt deutsch Durchtreiber aus der Schwungmasse zu schlagen, daran gibt es nichts auszusetzen. Dafür braucht es tatsächlich keine Abziehvorrichtung, trotzdem, ein Bastler von Format hat einen solchen Abzieher in seiner Bastelkiste. ;) So etwas kann man immer gebrauchen.


    Was mir etwas mehr Sorgen bereitet ist der Zustand der Schraubstockbacken. Die haben scheinbar schon recht harte Zeiten und Werkzeuge hinter sich. :D


    Zwei der drei Stecker im Decoder sind recht stark gebogen, sind die nicht richtig eingesteckt?


    Man merkt, du bist ein Dampffan, ich zwar auch aber dann richtig und puristisch. Die Lok muss dann mit richtigem Dampf fahren, die Geräusche damit erzeugen und den Dampf selber ausstossen. Auf die digitale Variante verzichte ich ganz gerne. Darum ist der Seuthe aus meiner BR78 beim Umbau herausgeflogen, so etwas brauche ich nicht, Sound genau so wenig. Das spart als positiver Nebeneffekt noch Geld. Das gesparte Geld stecke ich bei älteren Märklin Loks lieber in einen SB Antrieb, daran habe ich mehr Freude.


    Kleiner Tipp, wenn du das nächste Mal die Bohrung am Schluss mit einer Handreibahle auf das Fertigmass bringst, dann gibt es keine Farbabplatzungen. Das erspart die Ausbesserungsarbeiten mit dem Pinsel.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Ja Erwin ich finde, dass gerade auch der Kittel rauchen muss oder wenigstens können sollte, das sieht einfach netter aus. Ein Vergleich mit Echtdampf ist natürlich nicht erlaubt, da gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten, das sehe ich genauso. Einen Vorteil gibt es dennoch: Niemals verbrannte Finger :D


    Was mir etwas mehr Sorgen bereitet ist der Zustand der Schraubstockbacken. Die haben scheinbar schon recht harte Zeiten und Werkzeuge hinter sich.


    Deine Sorge ist gerechtfertigt, aber unbegründet: Ich besitze zwei Exemplare, der gezeigte hat schon gut 25 Jahre auf dem Buckel, der andere ist noch einwandfrei, hat sogar schonende Gummilippen zum Aufschieben auf die Backen.


    Zwei der drei Stecker im Decoder sind recht stark gebogen, sind die nicht richtig eingesteckt?


    Das Foto entstand während der Bearbeitung der 98er von Kiss, die einen Taktgeber und Feuerbüchsenlicht bekommen hat. Da musste ich die Stecker abziehen, um an die Pins zu kommen, sind nur provisorisch aufgesteckt, hast es aber richtig erkannt.


    Kleiner Tipp, wenn du das nächste Mal die Bohrung am Schluss mit einer Handreibahle auf das Fertigmass bringst, dann gibt es keine Farbabplatzungen. Das erspart die Ausbesserungsarbeiten mit dem Pinsel.


    Ein guter Tipp, den ich mir merken werde. :thumbup: