Fernbusse, eine ernst zu nehmende Konkurrenz zur SBB?

  • Seit Domo Reisen für einige Strecken eine Lizenz für Fernbusse erhielt, thematisierte die Schweizer Presse ob das eine Konkurrenz für die SBB ist . Die SBB blockt konsequent alle Versuche ab, sich auch nur einen Krümmel ihres Marktes wegnehmen zu lassen. In diesem Fall hat es nicht geklappt. Spielt das wirklich eine Rolle? Kann der Bus je ein ernsthafter Mitbewerber werden?


    Ich habe für mich einige Zahlenspielereien gemacht. Interessant sind primär hochrentable Strecken. Dazu zähle ich im Schnellzugverkehr Zürich - Bern. Im S-Bahnverkehr des ZVV ist es die Glattlinie mit verschiedenen Linien. Sicher auch die Strecke Winterthur - Zürich Altstetten und Zürich - Rapperswil auf der rechtsufrigen Seite.


    Eine 300m S-Bahn bietet etwas über 1100 Sitzplätze an, ein Bus von Domo Reisen gerade einmal deren 69.


    Nehmen wir ein Beispiel aus der Hauptverkehrszeit, die Strecke Zürich HB - Uster, eine 300m lange S5 gegen einen Bus von Domo Reisen.

    • S-Bahn, 100 bis 300m benötigt einen Lokführer
    • Ein Bus benötigt einen Chauffeur
    • 1100 Sitzplätze -> eine S-Bahn oder 16 Busse

    Takt, alle 30 Minuten. Insgesamt 4 S-Bahnen, S5, S9, S14 und S15 bedienen diese Strecke. Es gibt also 8 Züge pro Stunde in eine Richtung mit einer Kapazität von mindestens 8000 Sitzplätzen. Bei der S14 weiss ich nicht ob die auch als 300m Zug verkehrt, gerechnet habe ich mit einem 200m Zug.
    Um mit Bussen diese Kapazität zu erbringen braucht es davon 116 Stück plus die gleiche Zahl Chauffeure. Da stellen sich doch gleich die folgenden Fragen:

    • Woher kommen alle diese Chauffeure und erst noch für den bescheidenen Lohn von Fr.4000.-?
    • Wo bleibt der Platz auf der Strasse und die Ausstellplätze für die immense Zahl Busse?
    • Kann ein Bus zur Hauptverkehrszeit auf solchen Strecken pünktlich sein?
    • Welchen Kuchen der SBB könnte sich der Bus auf solchen Strecken abschneiden? 10% oder noch weniger?

    Mein Fazit, auf den rentablen Achsen ist die SBB punkto Zeitbedarf, Zuverlässigkeit und Kapazität unschlagbar. Busse wären auf diesen Strecken für mich nur eine Alternative wenn sie im 3 bis 4 Minuten Takt fahren würden.


    Wo sehe ich Vorteile für den Bus?


    Nach meiner Sicht sind das Strecken die wenig Kapazität benötigen und viele Umsteigevorgänge vermeiden können. Zürich Wiedikon - Schwägalp dauert mit dem Zug und Bus 2 Stunden 3 Minuten und es wird drei Mal umgestiegen. Zürich Wiedikon hat einen ansehnlichen Busbahnhof und könnte dieses Ausflugsziel direkt bedienen und das möglicherweise in einer kürzeren Zeit.
    Ich bin gespannt wie sich Busunternehmen in diesem Markt bewähren. Der Personalbedarf darf nicht unterschätzt werden, vor allem zu diesen schlecht bezahlten Bedingungen. Die VBZ ist aktuell Fahrerseitig mit 16 Personen unterbesetzt. Dort sind Lohn und Arbeitsbedingungen klar besser als bei einem Busunternehmen das nur zu Mindestlöhnen beschäftigt. Solche Zenarien zeigen aber sehr schön auf warum diverse Unternehmen ein so hohes Interesse an selbstfahrenden Fahrzeugen haben.


    Für Leute die eine Vollkostenberechnung beherrschen, ist der ÖV auch heute noch gegenüber dem Individualverkehr konkurrenzlos günstig. Für meine beiden Zonen 110 und 121 zahle ich jährlich Fr.1150, dafür betreibt kein Mensch ein Auto. Ob ein privater Busbetrieb das günstiger mit der gleichen Zuverlässigkeit kann, muss erst noch bewiesen werden.


    Mein Fazit, im rentablen Teil des ÖV dürften private Busunternehmen nicht mehr als ein kleiner Mückstich sein. Im subventionierten Streckenbereich können sie sich bei geschickter Streckenführung durchaus schmerzhaft bemerkbar machen.


    Die Zeit wird zeigen wie und in welche Richtung sich der Verkehr weiter entwickeln wird. Vermutlich stehen wir in 50 Jahren an einem ganz anderen Ort als sich heute jemand denken kann. ;)

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Erwin, Du sprichst von FERN-Bussen. Nicht vom Regionalverkehr. Auch Zürich-Bern erachte ich noch nicht wirklich als Fernverbindung (in der Schweiz ist alles nah) Aber wenn man die Bus-Preise internationaler Destinationen mit jenen der Bahn vergleicht, sieht die Sache mit der Konkurrenz schon anders aus...

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Aber wenn man die Bus-Preise internationaler Destinationen mit jenen der Bahn vergleicht, sieht die Sache mit der Konkurrenz schon anders aus...


    Das ist so. Macht die SBB auf den internationalen Strecken Gewinn? Keine Ahnung. Konkurrenz findet logischerweise nur dort statt, wo sich ein Gewinn erwirtschaften lässt. Innerhalb der Schweiz ist Zürich - Bern, Basel oder St.Gallen schon ein Fernbus. Diese Strecken werden angeboten. Bei uns ist alles kleiner, das lässt sich nicht ändern.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Wenn Fernbusse wirklich nur Städte innerhalb der Schweiz verbinden, sehe ich für die SBB auch keine Gefahr. Die Gründe hast Du genannt. Schnellere Verbindungen als via Schiene sind auf den chronisch überlasteten Schweizer Strassen kaum möglich.

    Gruss Roger


    95 von 121 grünen Ae 6/6


    Die Katze schläft im Lärm; nur die Stille weckt sie, wenn die Mäuse rascheln.

  • Die SBB plant die Anzahl der Sparbillette markant zu erhöhen . Für den Hinweg finde ich das eine gute Sache, für den Rückweg bin ich gerne zeitlich flexibel und kaufe aus diesem Grund ein Billett das Zug unabhängig ist. Generell bevorzuge ich die Schiene, am liebsten mit dem Zug, danach das Tram, der Bus ist für mich immer die letzte Wahl. Den Transport auf der Schiene empfinde ich als angenehmer gegenüber der Strasse.

    Gruss Erwin



    Wer rast, der verpasst das Leben.


    Kein Platz für weitere Sammelstücke ist nur eine faule Ausrede. ;) Es gibt für alles eine Lösung.

  • Wenn Fernbusse wirklich nur Städte innerhalb der Schweiz verbinden, sehe ich für die SBB auch keine Gefahr. Die Gründe hast Du genannt. Schnellere Verbindungen als via Schiene sind auf den chronisch überlasteten Schweizer Strassen kaum möglich.


    Ich sehe das genauso. Deshalb geht für mich Erwin's Argumentation auch ziemlich weit am Ziel vorbei (ich bin durchaus überzeugt, dass alles was er schreibt absolut korrekt ist, aber den absolut wichtigsten Punkt hat er gekonnt ausgeblendet). Es ist m.W. nirgends die Rede von schnelleren Verbindung (wäre ja noch schöner, wenn die SBB dank NBS nicht signifikant schneller wären!), es geht einzig um den Rubel. Dass SBB Tickets nicht der Günstigsten einer sind, ist ja klar. Ein Fernbus kann nur dann als Konkurrenz zur SBB auftreten, wenn der finanzielle Aufwand (bei nicht gleich doppelter Fahrzeit) signifikant geringer ist. Ob sich das mit anständigen Arbeitsbedingungen und technisch einwandfreien Fahrzeugen umsetzen lässt bleibt mal offen.

    Gruss


    Roland

  • Hallo zusammen


    Für mich kommt noch der Aspekt der Sicherheit dazu - bei Bussen und insbesondere solchen, die über längere Distanzen fahren, habe ich ein sehr schlechtes Gefühl. Mag sein, dass das ein Vorurteil ist. Beim Zug geht es mir genau umgekehrt - da fühle ich mich "wie in Abrahams Schoss"...

    Gruss Christian


    Meine Fotos; Eisenbahnen (Schwerpunkt Gotthard) und Dampfschiffe: https://www.flickr.com/photos/134896793@N03/ - aktuelles Avatarbild zur Erinnerung an den im Schnee versunkenen Gotthard am 17. April 1999.

  • Generell bevorzuge ich die Schiene, am liebsten mit dem Zug, danach das Tram, der Bus ist für mich immer die letzte Wahl. Den Transport auf der Schiene empfinde ich als angenehmer gegenüber der Strasse.



    Für mich kommt noch der Aspekt der Sicherheit dazu - bei Bussen und insbesondere solchen, die über längere Distanzen fahren, habe ich ein sehr schlechtes Gefühl. Mag sein, dass das ein Vorurteil ist. Beim Zug geht es mir genau umgekehrt - da fühle ich mich "wie in Abrahams Schoss"...


    Geht mir genauso :thumbsup:


    Persönlich werde ich alles tun um nie einen Fernbus besteigen zu müssen. Wobei ernst nehmen sollte man diese Konkurrenz schon und zwar nicht wie in Frankreich indem man selber Fernbusse anbietet... Aber das hat die SBB zum Glück auch nicht vor.


    Gruess Julian